//Motivation
Die Pierra Menta - schon vor Jahren hatte ich von diesem grossartigen Skitourenrennen gehört. Mit 4 Etappen und insgesamt 10000 Höhenmetern zählte es zu den härstesten Rennen im Skimo Zirkus, und stellte dementsprechend grosse Anforderungen an die Teilnehmer. Nie hätte ich gedacht, dass ich physisch und mental jemals bereit sein würde, um an diesem Rennen teilzunehmen. Etwas Glück gehörte auch dazu, dass man als Neuling in die Auswahl der 200 zugelassenen Teams aufgenommen wurde. Für Antoine und mich ging der Traum in Erfüllung, und so konnten wir unsere Sachen packen und die Reise nach Frankreich antreten.
//Auftaktzeremonie & Briefings
Es machte mich zuerst schon etwas stutzig, als die Organisation so ein riesen Spektakel veranstaltete. Zuerst das Briefing, welches nie enden wollte, und anschliessend musste sich der Tross durch die Gassen von Arêches schlängeln und in die kleine Kirche zwängen. Hier wurden schliesslich die besten Athlethen vorgestellt. Erst zum Schluss gaben sie die Startnummern Preis. Aber es wurde mir schnell klar was für einen Stellenwert die Pierra Menta für die Bevölkerung hatte. Sie standen zu 100% hinter dieser Veranstaltung, und wollten halt dementsprechend daran teilhaben. Bei den Briefings sassen jeweils genauso viele Zuschauer/Helfer im Saal wie Athlethen.
(Auftaktzeremonie in der Kirche von Arêches)
//1er jour - 1. Etappe - 08.03.2017
In den letzten Tagen war in der Region über einen Meter Neuschnee gefallen. Mit Lawinenstufe 4 (gross) war es nicht verwunderlich, dass die Organisation das Rennen in flaches Gelände und unter die Waldgrenze verlegte. Mit 6 Anstiegen und Abfahrten, und einigen Portagen würde es allerdings trotzdem ein interessantes Rennen geben.
(Streckenprofil und Routenverlauf Tag 1)
Der Start war super krass. Es ging ab wie die Feuerwehr! Wie eine Horde Wilder, die sich auf den Gegner stürzte. Ich war zu sehr motiviert, und es hatte mich folglich gleich einmal verblasen, anschliessend fanden wir uns im hinteren Feld wieder, so schnell konnte es gehen. Wenigstens hatten wir keinen Stockbruch oder sonstigen Materialschaden zu verzeichnen. Nun galt es das Feld von hinten aufzurollen.
Dank drei Spuren (oder mehr) war es jederzeit möglich zu überholen, und es blieb auch genügend Zeit dazu. Als wir das auf der 4. Position laufende Frauenteam überholten, wussten wir, dass unsere Klassierung trotzdem nicht so schlecht sein würde. Die Abfahrten im tiefen Pulverschnee waren kräftezehrend, die steilen Waldpartien verlangten Aufmerksamkeit und eine gute Skitechnik. In den Wechseln verloren wir jeweils wertvolle Sekunden, wir hatten es zwar im Griff, aber die anderen wechselten einfach noch schneller. Mit viel Kampfgeist nahmen wir den letzten kurzen Anstieg in Angriff, und konnten schliesslich als 69. Team ins Ziel laufen, mit 50 Minuten Rückstand auf das Siegerteam notabene. Trotzdem waren wir zufrieden mit unserem Einstand an der Pierra Menta.
//2e jour - 2. Etappe - 09.03.2017
Über Nacht hatte es geregnet bis auf 2000m, die Lawinenstufe war immer noch 3-4, somit blieb den Organisatoren nichts anderen übrig, als eine weitere Alternativstrecke auszugraben. Es war weder Plan B oder C, sondern vielmehr Plan E oder F. Mit 27km Distanz, 2400 Höhenmetern und vielen Wechseln würde es aber erneut eine anspruchsvolle Etappe werden. Und auch das Wetter versprach zumindest teilweise sonnig zu werden.
(Streckenprofil und Routenverlauf Tag 2)
Während sich die Horde Wikinger erneut auf den Gegner stürzte, gingen wir es dieses Mal etwas ruhiger an. Will heissen, dass wir nur etwa 100 Meter gesprintet waren, um dann baldmöglichst in den Gehmodus zu wechseln und den Rhythmus zu finden. Dies war recht gut gelungen, aber in der ersten Abfahrt (mit montierten Fellen) Richtung Arêches schien ich stehen zu bleiben. Meine Felle waren wohl zu wenig gut gewaxt, und so wurde ich erneut durchgereicht, zu dumm!
Anschliessend galt es mit aufgebundenen Skis durch Arêches zu laufen. Angefeuert von den vielen Zuschauern konnten wir hier die verlorenen Plätze bereits wieder gut machen. Es folgte ein längerer Skianstieg nach Bouchet, und eine wilde Abfahrt zurück nach Arêches. Zu Fuss über die Brücke, und dann wieder mit Ski hinauf nach Cuvy.
Nach einer weiteren, wilden Waldabfahrt folgte eine langgezogene Passage bis zum Lac de St-Guérin. Dort mussten wir zu Fuss über die Himalayabrücke laufen. Nun fehlten noch 400 Höhenmeter hinauf nach Les Bonnets Rouges. Dieser Anstieg wollte einfach nicht enden und war super zäh, die Sonne brannte und mein Trinkbeutel war bis auf den letzten Tropfen ausgepresst. Morgen musste ich unbedingt verdoppeln. Es ging glücklicherweise allen so, und die lauten Zuschauer halfen einem über diese schwierigen Minuten hinweg. Nun brauchten wir bloss noch sturzfrei ins Ziel zu gelangen und der Tag wäre gerettet. Wir kamen schliesslich als 66. Team ins Ziel, und konnten uns somit um einige Ränge verbessern.
Nach einer Dusche, einem Regi-Shake und einer Compex-Session auf dem Zimmer ging es einen Stock tiefer zum Carboreload. Man merkte dem Gastronomie Team seine langjährige Erfahrung an. Es fehlte an nichts, die Portionen waren riesig, das Angebot reichhaltig, und wir brauchten nie aufs Essen zu warten. Wie im 7. Himmel! Mit vollen Mägen ging es dann zur Massage. Danach fühlten wir uns (fast) wie neu geboren, und konnten es kaum erwarten am Briefing über die nächste Etappe informiert zu werden.
//3e jour - 3. Etappe - 10.03.2017
Noch immer würden wir nicht auf dem ursprünglich vorgesehenen Kurs laufen können, doch die Verhältnisse liessen es immerhin zu um auf die aussichtsreiche Pointe du Dard zu gelangen.
(Streckenprofil und Routenverlauf Tag 3)
Für unsere Verhältnisse hatten wir einen guten Start und wir konnten von Anfang an pushen. Den Anstieg auf der vereisten Piste meisterten wir bravourös, andere weniger... Bei der ersten kurzen Abfahrt hatte es Antoine leider hingelegt, und so verloren wir einige wertvolle Sekunden und leider noch viel mehr Positionen. So schnell konnte es gehen. Glücklicherweise ohne Verletzung nahmen wir den folgenden Anstieg in Angriff. Im Briefing hatten die Organisatoren erwähnt, dass im steilen Waldabschnitt zuerst 88, und bis zur Passage du Dard schlussendlich 136 Spitzkehren zu bewältigen seien. Im Wald war mir jemand aus Versehen auf den Stockteller gestanden. In der Folge hatte sich mein Griff vom Stock gelöst, ich konnte ihn in wenigen Sekunden wieder befestigen, noch einmal Glück gehabt.
Wir konnten uns stetig steigern. Unterdessen positionierten wir uns sogar vor dem 2. Frauenteam, Jennifer Fiechter und Séverine Pont Combe. In den Wechseln verspielten wir unseren Vorsprung dann jeweils wieder, da war definitiv noch Potential vorhanden. Es folgte eine rasante Abfahrt bevor wir die Pointe du Dard in Angriff nahmen. Eine steile Portage führte uns hinauf zum höchsten Punkt. Das war Skialpinismus vom Allerfeinsten!
Es folgten die Abfahrt nach Véstiges und der Anstieg auf die Épaule de la Légette. Die Portage hinab in den Sattel war mit einem Geländerseil versichert und ziemlich spektakulär. Mit viel Schuss sausten wir hinab nach Ravoire. Im letzten Anstieg verspürte ich auf einmal brutale Schmerzen am rechten Fussrücken. Nun galt es durchzubeissen. Einerseits wollte ich die Etappe unbedingt beenden, aber auch meinen Partner nicht hängen lassen. Ich versuchte mich so gut es ging abzulenken, doch dies gelang mir mehr schlecht als recht, die Schmerzen waren einfach zu stark. Unsere Taktik, durchwegs genügend zu trinken, und im letzten Anstieg noch ein Koffeingel reinzujagen um noch etwas zu forcieren, konnten wir so leider nicht in die Tat umsetzen. Immerhin gelang es den Schaden in Grenzen zu halten und selbst nicht mehr überholt zu werden. Bei der finalen Portage und Abfahrt hielten sich die Schmerzen zurück, und so konnten wir als 63. über die Ziellinie stürmen, dies war eine weitere Verbesserung gegenüber dem Vortag!
Während ich Schmerzmittel für gewöhnlich vermeide, war ich dieses Mal froh dass ich welche dabei hatte. Schliesslich wollten wir die Pierra Menta unbedingt beenden. Mit Hilfe der Entzündungshemmer würde der Fuss bis morgen vielleicht etwas abschwellen; ich wusste leider nur zu gut dass dies bloss Wunschdenken war...
//4e jour - 4. Etappe - 11.03.2017
Es stand die Königsetappe auf dem Programm. Leider ohne ganz auf den Grand Mont zu steigen, aber immerhin auf dessen Vorgipfel, und daneben gab es drei knackige Portagen und viele Höhenmeter. Es wurden ca. 4000 Zuschauer erwartet welche die Athlethen frenetisch anfeuerten, es würde ein Fest werden!
(Streckenprofil und Routenverlauf Tag 4)
Während dem Aufwärmen versuchte ich mit offener Frontschnalle zu gehen und diese auch in der Abfahrt offen zu lassen, nur die obere Schnalle wollte ich wie gewohnt fixieren (während fast schon alle mit einem Carbon Schuh von Pierre Gignoux unterwegs waren, gab es beim DY.N.A Evo Skitourenschuh noch eine Frontschnalle). Dies klappte erstaunlich gut, und wenn ich nur schon 1-2 Stunden auf diese Art würde gehen können, half mir das enorm um die Qualen besser im Griff zu haben.
Der Start war wiederum etwas verhalten, aber es blieb noch genügend Zeit dies zu korrigieren. Ich hatte von Beginn weg Schmerzen, doch ich versuchte positiv zu bleiben, an die schönen Dinge des Lebens zu denken, und es half tatsächlich. Nach der ersten, ziemlich langen Portage ging es mit montierten Skis in wenigen Minuten hinauf zu Col de la Forclaz, wo uns tausende Zuschauer in Empfang nahmen und zur Höchstleistung anfeuerten. Das Adrenalin schoss ins Blut, Schmerzen verspürte ich unterdessen keine mehr.
Es folgte eine rasante Abfahrt nach Rogneux und der Anstieg auf den Vorgipfel des Grand Mont. Unterwegs kamen wir ein zweites Mal am Col de la Forclaz vorbei, und die Stimmung schien unterdessen noch ausgelassener zu sein als kurz zuvor. Wir wurden durch einen Kanal von Menschen geschläust, es blieb einem nichts anderes übrig als 120 Prozent zu geben, das war total verrückt! Der Schwung wurde allerdings bald gebremst, als wir bei der Portage zur Antécime anstehen mussten. Die leichte Blockkletterei und das Handling des Klettersteigsets hatte die Athlethen scheinbar überfordert. Dies war schade, denn wir waren gerade sehr gut im Schuss gewesen. Nun gut, immerhin konnten wir so die Landschaft und das wunderbare Panorama geniessen.
Auf der Antécime angekommen folgte eine geniale Abfahrt zu den Lacs de la Tempête, bevor wir über den Col de la Louze erneut zum Col de la Forclaz anstiegen. Die Sonne brannte, doch wir hatten vorgesorgt und genügend zu trinken dabei. Nach einem weiteren Bad in der Menge folgte eine kurze Abfahrt zum Lac Tournant, bevor wir uns an den letzten Anstieg machten. Ein letztes Koffeingel sollte helfen die restlichen Reserven anzuzapfen. Die Portage auf den Tête Rouge war noch einmal knackig, doch wir liessen nicht locker und hielten die Pace hoch. Der Wechsel gelang uns formidabel, und so konnten wir zur Schlussabfahrt ansetzen. Zügig, aber dennoch mit der nötigen Vorsicht, fuhren wir talwärts und flogen schon beinahe über die Ziellinie - wir hatten es geschafft, wir waren stolze Finisher der Pierra Menta 2017! Der letzte Effort hatte sich zudem gelohnt, denn er brachte uns den 60. Schlussrang. Darauf konnten wir echt stolz sein, dies war viel besser als erwartet!
//Fazit:
Die Pierra Menta ist auf seine Art einzigartig! Nicht nur was die Anforderungen betrifft, sondern auch die absolut geniale Atmosphäre. Einerseits unter den Teilnehmern, aber auch bei den Zuschauern und Supportern, man spürte dass die ganze Region hinter diesem Anlass stand. Während der Königsetappe waren alle auf dem Berg um die Läufer zu unterstützen, so eine Stimmung hatte ich bisher noch nie erlebt!
Persönlich waren wir super happy: wir hatten unseren eigenen Everest bezwungen, und dann noch in einer sehr guten Zeit - ohne technischer Probleme, physischer oder psychischen Schwächen. Trotz dem 60. Schlussrang fühlten wir uns irgendwie auch als Sieger!
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//Facts 1er jour:
- Streckenplan:
- Distanz: 23.1km
- Höhenmeter: 2310m
- Maxpuls: 161bpm
- Schnittpuls: 147bpm
- Verpflegung: 2 Gels, 0.5l Iso
- Rangliste: klick!
- Fotos: hier, da und dort!
- Video Etape 1: klick!
//Facts 2e jour:
- Streckenplan:
- Distanz: 27.5km
- Höhenmeter: 2390m
- Maxpuls: 156bpm
- Schnittpuls: 140bpm
- Verpflegung: 2 Gels, 0.5l Iso
- Zeit: 3:36:06
- Rangliste: klick!
- Fotos: hier, da und dort!
- Video Etape 2: klick!
//Facts 3e jour:
- Streckenplan:
- Distanz: 23km
- Höhenmeter: 2700m
- Maxpuls: 152bpm
- Schnittpuls: 131bpm
- Verpflegung: 3 Gels, 1l Iso
- Zeit: 3:31:15
- Rangliste: klick!
- Fotos: hier und da!
- Video Etape 3: klick!
//Facts 4e jour:
- Streckenplan:
- Distanz: 24km
- Höhenmeter: 2790m
- Maxpuls: 149bpm
- Schnittpuls: 129bpm
- Verpflegung: 3 Gels, 1l Iso
- Zeit: 3:43:00
- Rangliste: klick!
- Fotos: hier und da!
- Video Etape 4: klick!
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Bemerkungen:
Tbc...
Quicklinks:
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