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| Tourendetails Tour Ronde 3792m N-Wand |
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Tourenart | Alpine Skitour |
Datum | 11.05.2012 |
Region | |
Kartennummer | Mont Blanc and the Aiguilles Rouges von Anselme Baud, Massif du Mont Blanc 3531 ET |
Link zum Kartendienst | |
Erstbesteigung | Erstbefahrung 20. Juli 1971 Patrick Vallençant |
Anforderung | AS- 5.3/E3 |
Besucherandrang | Schwach frequentiert |
Gletscher | Vorsicht: Tour führt über Gletscher, anseilen kann erforderlich sein! |
Kondition | B |
Höhenmeter | 1200m 1200m |
Lawinenbulletin | gering |
Exposition | N-NE |
Gipfel erreicht? | Nein |
Bewertung (Erlebniswert) | Deluxe! |
Beschreibung | Tour Ronde 3792m N-Wand, mit Mika
(Tour Ronde 3792m N-Wand)
// Ski Extreme:
Das schwierigste am Steilwandfahren ist den richtigen Moment zu erwischen; bei guten Verhältnissen (Pulver oder Frühlingsschnee) erscheint ein 50 Grad steiler Hang gar nicht mehr so steil. Bei Hartschnee oder Eis schaut es entsprechend anders aus, und man ist oft gezwungen, in die alpine Trickkiste zu greifen. Der Reiz besteht auch darin, dass man die Steilwände und Couloirs im Sommer betrachtet und man es sich zu diesem Zeitpunkt kaum vorzustellen vermag, dass man diese, wenn sie schön eingeschneit sind, mit Skis befahren kann.
// Verhältnisse und Planung
Am Dienstag, 08.05.2012 hatten wir erfahren, dass an der Tour Ronde N-Wand momentan gute Bedingungen herrschen würden, und diese von drei Leuten befahren wurde. Am Mittwoch hatte uns dann zwar noch einmal eine schwache Störung gestreift, doch diese hatte die Verhältnisse kaum geändert. Am Donnerstag war es schön und sehr warm, und für Freitag, 11.05.2012 war eine weiterer, sehr warmer und stabiler Schönwettertag angesagt. Dies war dann auch das einzige kleine Fragezeichen: würde es nicht zu warm sein zum Skifahren? Falls es in der Nacht genügend abstrahlen könnte, und wir zügig unterwegs sein würden, dann sollte es wohl machbar sein, hatten wir uns gedacht. Der Plan war, um 08.10 Uhr mit der ersten (offiziellen) Télécabine auf die Aiguille du Midi 3842m zu gondeln, und rasch über den Glacier du Géant abzufahren, bis zur Pointe Adolphe Rey auf ca. 3170m. Hier anfellen und in südlicher Richtung bis an den Bergschrund ca. 3400m hochsteigen, um spätestens um 10.00 Uhr in die N-Wand einzusteigen. Somit könnten wir spätestens um 12.00 Uhr abfahren, und den Gegenanstieg zur Aiguille du Midi 3842m in Angriff nehmen nehmen.
// Unvorhergesehene Ereignisse
Als ich am Donnerstag Abend bei Mika eintraf, und er mich über ein heute geschehenes Unglück (mit Todesfolge) an der Tour Ronde informierte, da kamen natürlich schon Zweifel auf, und die Anspannung, welche vor so einer Unternehmung sowieso ständig präsent ist, wuchs noch einmal um ein Vielfaches an. Sollten wir nicht besser Klettern gehen, wäre es nicht vermessen, einen Tag nach dem Unfall an den selben Ort zurückzukehren? Doch solange wir nicht wussten, was und wie genau es geschehen ist, wollten wir uns nicht verrückt machen lassen! Wir wussten, dass wir dieser Wand grundsätzlich gewachsen sein würden, und die Verhältnisse sollten ja gut sein! Wir mussten die Angst kontrollieren und wollten uns die Situation vor Ort anschauen.
// Von der Angst zur totalen Kontrolle
Die Angst ist immer mit im Spiel bei so einer Aktion; diese zu kontrollieren, den psychischen Stress in Konzentration und totale Kontrolle umzuwandeln, das ist der Schlüssel zum Erfolg. Zweifel sind keine erlaubt, sonst bleibt man besser zuhause.
// Gipfeltag
Anreise nach Chamonix und mit der ersten offiziellen Cabine (etwas vor 08.10 Uhr ;-) auf die Aiguille du Midi 3842m. Rasch Richtung Vallée Blanche abgefahren bis zur Pointe Adolphe Rey auf ca. 3170m. Nun angefellt und den kurzen Gegenanstieg bis zum Bergschrund auf ca. 3400m unter die Füsse genommen. Den Blick auf die Wand gerichtet sahen wir nun auch bereits die Sturzspuren vom Vortag, und die Abdrücke des Hubschraubers nahmen wir ebenfalls wahr. Wenig später im Aufstieg fanden dann noch einen Handschuh, ein Skistock lag im Bergschrund, Blutspuren.... üble Sache! Ich schreibe das hier nur der Vollständigkeit halber, vielleicht lösche ich den Eintrag auch wieder...
Trotzdem liessen wir uns nicht von unserer Sache abbringen, buckelten die Ski's auf den Rücken, und begannen mit dem Aufstieg durch die N-Wand. Obwohl Trittspuren über den Bergschrund führten, wollten wir nicht bereits hier das Glück herausfordern, sondern seilten uns an und sicherten uns gegenseitig über den Spalt. Anschliessend verstauten wir das Seil wieder, und gingen einige Minuten seilfrei weiter. Kurz darauf aber der Schock: durch eine Rinne (welche wir später im Aufstieg resp. Abfahrt nutzen wollten) spülte uns eine Spontanlawine eine Ladung Schnee entgegen und über die Köpfe, glücklicherweise war es zu wenig um uns ernsthaft zu gefährden! Trotzdem war es ein Warnzeichen, dass wir nun besser zum Rückzug blasen, oder zumindest nicht durch die Rinne weiter aufsteigen sollten. Denn wären wir bereits etwas weiter oben gewesen, und die Kraft wäre in der Rinne gebündelt auf uns zu gekommen, dann hätte das auch böse enden können! So kamen wir nur mit dem Schrecken davon, waren vorgewarnt und hatten Zeit das Weite zu suchen.
Doch anstatt unmittelbar abzusteigen oder abzufahren, wollten wir immerhin noch das Ambiente auskosten und etwas an der Skitechnik feilen. So stiegen wir linkshaltend einige Meter die Flanke hoch, bis uns das Blankeis zum Stand machen zwang, jeder gesichert an einer Schraube. Nachdem wir uns etwas umständlich von den Steigeisen befreit und die Ski's unter die Füsse geschnallt hatten, konnte es losgehen. Die ersten Meter zuerst etwas vorsichtig, da wir dem Presspulver nicht vollständig vertrauten, bald aber konnten wir befreit nach unten kurven. Allerdings weniger schwungvoll als erwünscht, da der Schnee tricky zu fahren, und das Gelände doch ziemlich steil war. Den Bergschrund mit Skis zu überwinden stellte keine Probleme dar, und so standen wir wenig später wieder unten auf dem Plateau.
Nachdem sich unsere Mütchen wieder gekühlt hatten, sind wir noch eine halbe Stunde den Gletscher gegen Westen angestiegen in den Kessel zwischen Mont Maudit und Aiguilles de Diable, um noch einige weitere Linien auszuchecken... Anschliessend dann am Grand Capucin vorbei zur Pointe Adolphe Rey abgefahren, und in 1.5h gemütlich zur Aiguille du Midi 3842m hochmarschiert. Die Sonne brannte und es war unglaublich heiss (sogar im T-Shirt).
// Fazit
Es war doch eine Spur zu warm heute, sogar in den Schattenwänden - wir wären trotzdem besser Klettern gegangen! Was genau gestern vorgefallen ist an der Tour Ronde konnten wir auch nach den Eindrücken vor Ort nicht abschliessend feststellen. Ist es im Aufstieg passiert, den neben den drei sichtbaren Abfahrtsspuren in der Gipfelflanke, welche von letztem Dienstag stammen müssten, waren keine weiteren dazugekommen. Vielleicht war ebenfalls eine Lawine Schuld am Absturz? Oder er hatte es doch auf den Gipfel geschafft und ist bei der Abfahrt gestürzt?
Wie auch immer, auch ohne Gipfel war es für mich eine Reise wert und ich bin um einige Erfahrungen reicher. Als Firsttimer konnte ich mir zudem einen schönen Ueberblick über all die eindrücklichen Couloirs verschaffen, und als ich die roten Felsen von der Aig. du Midi und wenig später die des Grand Capucin zu Gesicht bekamen, da juckte es stark in den Fingern, ich werde wohl schon bald wieder kommen...
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Facts Tour Ronde 3792m N-Wand:
Wandhöhe: 450m, durchgehend 50-55° steil. Bei der Abfahrt, je nach Routenwahl, muss entweder durch den Eisschlauch abgeseilt werden, oder mit Skis an den Füssen zwischen einigen Felsen hindurchgezirkelt werden.
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An dieser Stelle noch einige animierte Impressionen aus der Linse von Mika (15mb) und Chris (39.8mb).
Bemerkungen:
Das Gervasutti-Couloir an der Tour Ronde wäre heute sicher gegangen; es ist westseitig exponiert und bekommt erst spät Sonne. Die Schneeverhältnisse sind dort aber meist nicht so gut (gedeckelt oder Lawinenschnee).
Der Gletscher war grundsätzlich gut eingeschneit, doch hat rund um die Tour Ronde grosse Spalten, wo sich auch schon tragische Stürze ereigneten: klick!.
Mit den Abfahrtszeiten haben sie es nicht so in Chamonix (oder Argentière). Wenn die erste offizielle Bahn um 08.10 Uhr vorgesehen ist, heisst das gar nichts! Sie fährt entweder später oder bereits früher :-) Eine halbe Stunde vorher parat sein isch kann Saich...
Für eine Berg- und Talfahrt auf die Aiguille du Midi legt man stattliche 47 Euro auf den Tisch! Vergleicht man allerdings die Touristenpreise (ohne Halbtax) auf's Jungfraujoch und zurück, dann ist der Preis hier geradezu ein Schnäppchen ;-)
Weitere nützliche Links:
- Seilbahn Aiguille du Midi
- Météo Chamonix
- Lawinenbulletin Chamonix von France Meteo
- Allgemeine Verhältnisse im Mont Blanc Massif der OHM
- Chamonix - Extreme Descents
Weitere Berichte und Bilder von der Tour Ronde N-Wand:
- Tobias Granath
- Carnets du Mont-Blanc
- Mika Merikanto
- Ein Topo zu finden auf Summitpost.
Der Mont Blanc wie auch Tour Ronde als gigantisches Panoramabild: klick!
Nachtrag:
Am 10. Mai 2012 ist Simone Gamba bei der Abfahrt von der Tour Ronde tödlich abgestürzt, nachzulesen entweder hier oder da. Am gleichen Tag gelang Alex Pittin & François-Regis Thevenet die Befahrung des Frendo Pfeilers (ED+) an der Aiguille du Midi, ein schönes Video davon gibt es hier: klick! Freud und Leid liegen nahe beieinander....
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