Chamonix - Mont Blanc 4808m - Chamonix, mit Thomas
(Mont Blanc 4808m - Bossesgrat und N-Flanke)
//Motivation
Der Plan, den Mont Blanc 4808m ab Chamonix in einem Tag zu besteigen, geisterte schon viele Jahre in meinem Kopf herum. Es handelt sich dabei um ein ambitioniertes Projekt mit dem wohl längsten Anstieg in den westlichen Alpen. Der Rekord, von Chamonix (Kirche) auf den Mont Blanc und wieder zurück ins Dorfzentrum von Chamonix, liegt momentan bei sagenhaften 5 Stunden und 5 Minuten! Dieses Enchaînement gelang Mathéo Jacquemoud am 16.5.2013: klick!
Vor sechs Wochen hatten wir einen ersten Versuch gestartet, leider mussten wir beim Vallot Biwak 4362m, aufgrund schlechter Akklimatisation und Erfrierungserscheinungen, die Segel streichen und das Weite suchen. Heute nun, nachdem ich mit der Dufourspitze und dem Elbrus einige weitere hohe Berge besteigen durfte, sollte es klappen mit dem Gipfel. Vor allem auch, da die Wetterprognosen äusserst günstige Bedingungen mit wenig Wind voraussagten, und die Verhältnisse am Berg gemäss Hüttenwartin ebenfalls perfekt sein sollten. Die Spur würde allerdings über den Nordgrat des Dôme du Goûter führen, da vor einigen Tagen im Bereich von Grand und Petit Plateau Seracs abgebrochen waren, und die Begehung momentan nicht sicher wäre (ist sie in diesem Bereich sowieso nie, aber zur Zeit wäre das Risiko einfach noch etwas erhöht gewesen).
Angesichts dieser Tatsache sahen wir im Vorfeld bereits von einer Speedbegehung ab, denn der Umweg über den Dôme du Goûter würde uns zuviel Zeit kosten. Und somit erübrigte sich auch der Start bei der Kirche, stattdessen wollten wir die beim Parkplatz Le Cerro beim Tunnelportal loslegen, insgesamt würde die Tour nur unwesentlich kürzer sein.
//Tour
Nach einer Freinacht, verbunden mit der langen Anreise nach Chamonix, sind wir kurz vor 4:00 Uhr beim Tunnelportal Le Cerro gestartet. Im Stirnlampenlicht mit Turnschuhen bis zur Schneegrenze auf 1820m, gut 100m höher als vor einigen Wochen. Nachdem wir die leichten Schuhe gegen die schweren Schuhe ausgetauscht hatten, machten wir uns an den Weiterweg Richtung Les Glaciers. Das Gelände war steil und der Schnee hart, ein Skianstieg war somit wenig sinnvoll. Wir liessen die Ski daher auf dem Rücken und stiegen zu Fuss (ohne Steigeisen) bis ca. 2100m auf. Eine gute Trittspur ermöglichte ein zügiges Vorankommen. Anschliessend konnten wir die Ski anschnallen und mit Harscheisen respektive auf den Kanten bis zur alten Bergstation Pkt. 2414m aufsteigen. Nachdem wir noch einige Meter weiter hochstiegen, gelangten wir bei den Einrichtungen zur Lawinensprengung auf die Autobahn, welche von Plan de l'Aiguille Richtung Refuge Grands Mulets führte. Nach der Querung des Steilhanges erreichten wir den Bossons Gletscher und wenig später die Jonction. Über unseren Köpfen erstrahlte der Dôme du Goûter im Morgenlicht, ein erhabener Moment.
(Der Tag erwacht am Dôme du Goûter - Querung der Jonction)
Die Jonction war perfekt eingeschneit, wir entschieden uns die Zone seilfrei zu begehen. Wenn man erst nachmittags zur Hütte ansteigt und der Schnee bereits aufgeweicht ist, dann empfiehlt es sich anzuseilen, auch wenn eine Spur vorhanden ist. Es hat schon gewaltige Löcher dort. Dank der perfekt angelegten Spur kamen wir zügig voran, wir passierten das Refuge Grands Mulets 3051m und stiegen weiter zum Nordgrat des Dôme du Goûter. Auf ca. 3650m montierten wir die Steigeisen und machten uns an den Fussaufstieg über die eisige Steilstufe. Eine gute Seele hatte Trittspuren ins blaue Eis gehackt, so konnte man die Stelle seilfrei und ohne zu schrauben überwinden. Ich war trotzdem froh mit richtigen Steigeisen unterwegs zu sein, mit den Leichtsteigeisen hätte ich mich nicht ganz sicher gefühlt. Denn ein Ausrutscher würde gleichzeitig das Ende bedeuten.
(Anstieg zum Dôme du Goûter - Mont Blanc 4808m voraus!)
Nach ungefähr 200 Höhenmetern konnten wir die Ski wieder unter die Füsse schnallen, entspannt setzten wir den Aufstieg fort. Mit der Höhe hatte ich erwartungsgemäss wenig Probleme, trotzdem musste ich so langsam auf die Zähne beissen, meine Körper war müde und ausgelaugt, die Touren und Workouts der letzten Wochen hatten Substanz gekostet, ich hatte dringend Erholung nötig. An Erholung war momentan allerdings nicht zu denken, stattdessen wollte ich mich Schritt für Schritt dem Ziel näher bringen. Und es kam näher, schon bald befanden wir uns am Fusse des immer noch vereisten Steilhanges zum Vallot Biwak 4362m. Zusammen mit vielen anderen Tourengehern, welche wir unterdessen eingeholt respektive überholt hatten. Während hier vor sechs Wochen ein veritabler Sturm tobte, und wir im Vallot Biwak Schutz suchten, blies heute höchstens ein laues Lüftchen und es war richtig warm, die Daunenjacke konnten wir im Rucksack lassen.
(Grand Beau am Bossesgrat)
Nun kam es jedoch zu einer Fehleinschätzung, welche wir später bitter bereuen würden. Da wir seit mehr als einer Stunde beste Sicht hatten auf die Gipfelflanke, und wir noch keine Abfahrtsspuren ausmachen konnten, wollten wir auf die Mitnahme der Skis verzichten und diese hier deponieren (wie es viele andere auch machten). Denn wir wollten sicher nicht die ersten oder einzigen sein, die durch die Flanke hinabfahren. Zudem würde es sich ohne Ski am Rücken um einiges leichter gehen. Nach einer kurzen Pause setzten wir demnach den Anstieg fort, am Vallot Biwak 4362m vorbei und hinauf auf Les Bosses 4513m. Die vorhandenen Trittspuren machten das gehen einfacher, die Atmung ging allerdings schon recht schwer. Als wir dann die Hügel erklommen hatten, konnten wir sehen, wie sich die ersten Gipfelaspiranten an die Abfahrt durch die Nordflanke machten. In diesem Moment hätten wir uns Ohrfeigen können. Wir sollten die Ski eben doch auf den Gipfel mitnehmen - die Vollblut-Skibergsteiger waren für einmal ohne Ski am Mont Blanc unterwegs, wie doof war das denn!
Es half nichts, noch einmal abzusteigen um die Ski zu holen war keine Option. Wir wollten nicht weiter Trübsal blasen, der Tag war einfach viel zu schön dafür, und der Gipfel war bereits in Griffweite! Meter für Meter schoben wir uns dem Ziel entgegen, und nachdem wir auf ca. 4650m die steile, etwas vereiste Engstelle beim Serac überwunden hatten (Wartezeit da Einbahnverkehr), war der Weg frei zum Gipfel. Das Gelände flachte ab, und über den schmalen Grat schritten wir hinüber zur breiten Gipfelabdachung. Es war geschafft, wir standen auf dem höchsten Punkt der Westalpen!
(Beim 3. Anlauf hat es geklappt: wir stehen auf dem Dach der Westalpen - Abstieg zum Skidepot)
Nach einer ausgiebigen Pause machten wir uns an den Abstieg über den Bossesgrat. Bei der Engstelle war etwas Vorsicht geboten, der Pickel leistete hier gute Dienste. Der Stufe bei Les Bosses ging problemlos, einzig der vereiste Steilhang unter dem Vallot Biwak zwang uns zu erneuter Wachsamkeit. Wir spürten nun deutlich die Höhe und Müdigkeit, es war schwierig den Fokus zu behalten. Schliesslich erreichten wir unbeschadet das Skidepot, und machten uns sogleich an die Abfahrt in tiefere Gefilde. Mit schweren Beinen fuhren wir über Col du Dôme, Grand Plateau und Petit Plateau hinab Richtung Grand Mulets Hütte. Das Gelände war stark zerfahren, Skigenuss kam keiner mehr auf. Die Sonne brannte und der Schnee war bereits stark aufgeweicht; bei derart warmen Temperaturen seilfrei durch die Jonction zu fahren war nicht wirklich vorbildlich. Die steilen Hänge unter der Aiguille du Midi wollten wir ebenfalls möglichst schnell passieren, auch wenn die Hänge schon grösstenteils entladen waren.
Endlich erreichten wir die alte Bahnstation bei Les Glaciers T. Orient; wir waren sichtlich erleichtert, und so langsam kehrten auch die Lebensgeister zurück. Die Abfahrt Richtung La Para war bloss noch Formsache, und wir fanden auf Anhieb das zuvor eingerichtete Schuhdepot. Mit geschulterten Skis watschelten wir hinunter zum Tunnelportal Le Cerro, der Weg wollte einfach nicht enden (morgens im Dunkeln fühlte sich das jeweils viel kürzer an). Müde aber glücklich erreichten wir den Ausgangspunkt, und nach einer frischen Cola war die Welt natürlich mehr als in Ordnung...
(Seracs zwischen Grand und Petit Plateau)
//Fazit:
Beim 3. Anlauf hat es nun endlich geklappt mit dem Mont Blanc! Mit Patrick (RIP my friend) mussten wir im Frühjahr 2011 noch vor La Gare abbrechen, hüfttiefer Sumpfschnee hatte den Aufstieg damals vereitelt, und vor sechs Wochen mussten wir beim Bivouac Vallot 4362m leider Forfait geben. Umso schöner dass es heute geklappt hatte, bei Kaiserwetter und perfekten Bedingungen! Der Anstieg über den Nordgrat des Dôme du Goûter war landschaftlich grossartig (dort mit Ski hinunterzufahren wäre eine weitere, grosse Herausforderung)! Einziger Wermutstropfen war die Tatsache, dass wir die Ski nicht mit auf den Gipfel nahmen. Das Lehrgeld hatten wir anschliessend bezahlt, in dem wir nicht innerhalb weniger Minuten zum Grand Plateau abfahren konnten, sondern volle 1.5h brauchten bis zum selben Punkt.
//Facts:
- Route: Zahlstelle/Parkplatz Le Cerro Pkt. 1274m - La Para 1685m - Les Glaciers T. Orient Pkt. 2414m (La Gare) - Plan Glacier - La Jonction - Refuge Grands Mulets - Dôme du Goûter - Col du Dôme 4250m - Refuge-Bivouac Vallot 4362m - Les Bosses - Mont Blanc 4808m - Les Bosses - Bivouac Vallot - Col du Dôme - Grand Plateau - Petit Plateau - Refuge Grands Mulets - La Jonction - Plan Glacier - Les Glaciers T. Orient - La Para - Zahlstelle Le Cerro.
- Distanz: 26.5km
- Höhenmeter: 3650m
- Verpflegung: 2 Powerbar, 1 Gel, 1 Snickers, 1.2l Iso
//Die Zeiten:
- Start Parkplatz Le Cerro (Tunnelportal) Pkt. 1274m um 03:51 Uhr
- Zwischenzeit La Para 1820m um 04:29 Uhr.
- Zwischenzeit 2100m um 04:59 Uhr.
- Zwischenzeit Les Glaciers 2430m um 05:23 Uhr.
- Zwischenzeit La Jonction 2760m um 06:13 Uhr.
- Zwischenzeit Dôme du Goûter N-Grat 3650m um 07:39 Uhr.
- Zwischenzeit Dôme du Goûter N-Grat 3850m um 08:09 Uhr.
- Ankunft Skidepot Bivouac Vallot 4300m um 09:29 Uhr.
- Start Skidepot Bivouac Vallot 4300m um 09:41 Uhr.
- Ankunft Mont Blanc 4808m um 11:16 Uhr.
--> Dauer Aufstieg 7:25'00, 3600hm, VAM 577Vm/h
- Start Mont Blanc 4808m um 11:27 Uhr.
- Ankunft Skidepot Bivouac Vallot 4300m um 12:31 Uhr.
- Start Skidepot Bivouac Vallot 4300m um 12:43 Uhr.
- Zwischenzeit Les Glaciers 2430m um 13:45 Uhr.
- Ankunft Parkplatz Le Cerro (Tunnelportal) Pkt. 1274m um 14:44 Uhr.
- Total ohne Pausen: 10:15'00
- Total mit Pausen: 10:53'17
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GPS-Tracks
Wegpunkte
Die Wegpunkte der Tour können hier heruntergeladen werden (gpx file).
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Bemerkungen:
Der aktuelle Speed Record für Chamonix-Mt Blanc-Chamonix steht bei 5h5min, aufgestellt von Mathéo Jacquemoud am 16.5.2013: klick!
Man kann die Tour natürlich auch so wie wir beim Gratis-Parking Le Cerro beim Tunnelportal beginnen, damit spart man sich jeweils eine halbe Stunde im Aufstieg sowie im Abstieg.
//Nützliche Seiten:
- Bulletin Avalanche: klick!
- Chamonix Meteo: klick!
- Conditions Montagne: klick!
- Refuge CAF des Grands Mulets: klick!
- Plan centre ville Chamonix: klick oder klack!
Der Mont Blanc als gigantisches Panoramabild: klick!
//Empfohlenes Material:
- Turnschuhe (bis zur Schneegrenze, in der Regel oberhalb La Para 1685m)
- Gute Stirnlampe
- Anseilgurt
- Seil oder Reepschnur für die Querung der Jonction
- Leichte Ski und Schuhe
- Taillierte Felle
- Leichtsteigeisen (Alu)
- Leichtpickel
- Warme Kleider und Handschuhe
- Gut Isolierte Trinkflaschen oder Thermosflasche
- Genügend Wasser und Gels
//Voraussetzugen für eine erfolgreiche Speed-Besteigung:
- Körperliche Fitness
- Sehr gute Akklimatisation
- Leichte und optimierte Ausrüstung
- Relativ kalte Nacht für eine durchgefrorene Schneedecke im unteren Teil.
- Möglichst wenig Wind im Gipfelbereich (faible oder faible-modéré).
- Vorhandene Spur von La Para bis Les Glaciers ca. 2400m (oder Hartschnee für Fussaufstieg)
- Vorhandene Spur durch die Jonction. Nachfragen bei der Grands Mulets Hütte.
- Vorhandene Spur via Petit und Grand Plateau. Der Umweg über den Dôme du Goûter ist zwar landschaftlich lohnend, frisst aber ca. 1 Stunde!
--> über die Verhältnisse am Berg erkundigt man sich im Vorfeld bei der Grand Mulets Hütte