Beschreibung | Hardergrat Total
(Augstmatthorn 2136m || Eiger, Mönch und Jungfrau)
//Motivation
Den gesamten Hardergrat aka Brienzergrat in einem Tag zu überschreiten steht zu Recht auf vielen Wunschlisten. Der Grat gilt als einer der Schönsten im gesamten Alpenraum. Für mich sollte dieser Wunsch heute in Erfüllung gehen. Nachdem mir Dan Patitucci geraten hatte, aufgrund der besseren Views den Grat unbedingt Richtung Osten anzugehen, war der Entschluss schnell gefasst, die Überschreitung in Interlaken zu starten und auf dem Brünig zu beenden. Als Zückerchen gab es noch 500 Höhenmeter Bonus draufgepackt, aber dies sollte mir nur Recht sein. Doch viel wichtiger war die Tatsache, dass man ungefähr nach zwei Dritteln der Tour, auf dem Brienzer Rothorn, die Wasservorräte würde auffüllen können. Denn wenn man in der Gegenrichtung unterwegs war, geschah dies bereits nach einem Drittel, und so gelangte man trotzdem mit trockener Kehle zum Harderkulm.
(Suggiture 2084m und Augstmatthorn 2136m || Flowtrails auf dem Hardergrat)
//Tour
Anreise mit PW auf den Brünigpass und anschliessend mit der ersten Zugverbindung nach Interlaken Ost. Um 08:00 Uhr konnte ich schliesslich loslegen bei der Talstation der Harderbahn. In gemütlichem Tempo folgte ich den Wegweisern hinauf zum Hardermandli und Harderkulm Pkt. 1321m. Weiter nun, leicht ansteigend, über zum Teil stark verwurzelte Wege bis an den Fuss des Wannichnubels 1584m. Wenn man nicht aufpasst läuft man an dieser unscheinbaren Erhebung schnell vorbei. Da ich diesen Gipfel mitnehmen wollte, änderte ich kurz die Richtung und folgte dem Pfad nach Westen bis zum höchsten Punkt. Hier nun hatte ich erstmals freie Sicht auf den Hardergrat; am Horizont zu sehen das Augstmatthorn 2136m, dieses Zwischenziel galt es nun anzugreifen.
(Close-up Ällgäuwhoren 2047m und Tannhorn 2220m || Ällgäuwhoren 2047m)
Auf wunderschönen Trails ging es in stetem Auf und Ab durch den Wald, welcher zwischenzeitlich schöne Tiefblicke auf den Brienzersee offenbarte. Bei der Horetalp begann sich der Wald langsam zu lichten. Hier könnte man in wenigen Minuten die Balmhütte erreichen (siehe Bemerkungen). Ich hatte noch genügend Wasser und keine Pause nötig, so lief ich schnell weiter Richtung Suggiture 2084m und Augstmatthorn 2136m. Der Grat wurde nun schmaler und die Ambiance besser, hierfür war ich gekommen! Bis zu diesem Punkt war alles nur Vorspiel gewesen. Auf dem Gipfel begegnete ich einer Wandergruppe mit Kindern, diese mussten von Bodmisegg aufgestiegen sein. Die Kids waren am Seil, alles andere wäre fahrlässig in diesem abschüssigen Gelände. Für eine Minute genoss ich die Aussicht auf den weiteren Verlauf des Hardergrats, ich konnte nun bereits das Brienzer Rothorn 2348m ausmachen, der Weg bis dahin war allerdings noch weit.
(Tannhorn 2220m || Hardergrat westwärts)
Ich wollte den Flow nicht bremsen, so machte ich mich schon bald wieder auf die Socken. Über Wytlouwihoren 2106m, Blasenhubel 1965m, Gummhoren 2040m, Schnierenhireli 2070m und Ällgäuwhoren 2047m näherte ich mich allmählich dem Tannhorn 2220m. Freiheit ist wenn man leichtfüssig über die Gipfel fliegen kann! Es war ein tolles und erhabenes Gefühl in diesem Stil auf den schmalen Graten unterwegs zu sein. Vom Ällgäuwhoren 2047m bis zum Tannhorn 2220m wurde das Gelände etwas anspruchsvoller und steiler, gute Trittspuren allenthalben vereinfachten die Begehung deutlich. Auf dem Gipfel des Tannhorns 2220m liess ich mich auf der Bank nieder und genoss erstmals eine etwas längere Pause und füllte dabei meine Speicher. Es war ein warmer Tag, ich war durstig und froh, dass ich genügend Flüssigkeit dabei hatte. Es war Halbzeit und ich lag perfekt auf Kurs.
Der Abstieg vom Tannhorn war stellenweise recht ausgesetzt aber mit Drahtseilen versichert, so gelangte ich problemlos hinab zu Pkt. 2094m und konnte wieder Fahrt aufnehmen. Ab und zu begegnete ich nun einigen Wanderern, welche auf dem Rothorn gestartet sind und die Überschreitung in der Gegenrichtung angingen. Über Balmi 2141m und den Wannepass Pkt. 2069m lief ich aufs Briefehörnli 2164m. Es lockte der weglose Abstecher auf die nahe Burg 2148m, da dieser Gipfel aber nicht zum Grat gehörte verwarf ich diese abwegige Idee schnell wieder, es hätte mich wohl zu sehr aus dem Rhythmus gebracht. Stattdessen folgte ich dem Briefengrat zum Chruterepass Pkt. 2051m. Bei Chrutere wurde die Wegspur nun deutlicher, denn von Sörenberg kommend gelangte man ebenfalls zu diesem Punkt. Die Treppen beim Lättgässli trieben den Puls noch einmal in die Höhe, doch dann war der Weg praktisch frei zum Restaurant Rothorn Kulm Pkt. 2266m. Den Schongütsch 2319m erreichte ich weglos direkt über den Westgrat, zuletzt über einen schmalen Grat mit einigen Kraxelstellen. Erstaunte Gesichter blickten mir entgegen, doch dies war mir einerlei. Über den Wanderweg lief ich anschliessend hinab zum Restaurant und gönnte mir eine verdiente Pause. Zweidrittel der Strecke waren nun bereits im Trockenen.
(Erste Pause auf dem Tannhorn 2220m || Unterwegs am Briefengrat)
Dank einer eisgekühlten Schorle und Cola kehrten die Lebensgeister zurück, und nachdem ich auch die Wasserbehälter gefüllt hatte, nahm ich den Schlussabschnitt in Angriff. Das Brienzer Rothorn 2348m war schnell erreicht, und nachdem ich auf der Ostseite zum Eiseesattel Pkt. 2024m abgestiegen war, verschwanden auch die Touristenströme. Über den gut ausgebauten Wanderweg erreichte ich rasch den Arnihaaggen Pkt. 2207m, von hier folgte ich der dünnen Wegspur bis zum Gipfel Pkt. 2216m. Über Zwischenegg ging es anschliessend dem Höch Gumme 2204m entgegen. Bei Pkt. 2072m folgte ich dem ausgeschilderten Wanderweg bis zum höchsten Punkt. Nach einem netten Schwatz und Carboreload lief ich auf selbem Weg hinab zu Pkt. 2072m, und querte unter der Südflanke bis zum Gibel Pkt. 2039m. Wie sich herausstellte war dies ein ziemlicher Umweg, ich hätte geradeso gut über den Südgrat absteigen können um hierhin zu gelangen, so hätte ich eine Viertelstunde eingespart.
Es war nun nicht mehr weit zum Wilerhorn 2005m, dem letzten Gipfel dieser Odyssee. Allerdings spürte ich nun deutliche Ermüdungserscheinungen, und ich musste mich zusammenreissen um das Tempo aufrecht zu erhalten. Auf dem Gipfel liess ich es mir allerdings nicht nehmen, ins Heidelbeerbeet zu liegen und die spätsommerliche Ambiance aufzusaugen. Die Sicht westwärts auf den Brienzergrat war unbeschreiblich. Im Abstieg zum Brünigpass Pkt. 1008m hatte ich leichte Krampferscheinungen: im dümmsten Moment verkrampften die Beine und es legte mich flach auf den Boden; die Landung war glücklicherweise buschig-weich gewesen. Mit der Zeit erholte ich mich wieder und konnte zuletzt mit viel Tempo ins Ziel laufen.
(Brienzergrat westwärts, mit Augstmatthorn 2136m und Tannhorn 2220m || Eisee und Brienzer Rothorn 2348m)
//Fazit|Empfehlung
Der Hardergrat ist in der Tat ein Trailrun respektive eine Wanderung der Superlative! Ob es sich dabei um den schönsten Voralpengrat oder gar um den schönsten Grat weltweit handelt kann ich abschliessend nicht beurteilen. Schönheit zu definieren ist halt immer subjektiv, und hängt auch immer mit den angetroffenen Verhältnissen und persönlichen Vorlieben zusammen. Der Grat zwischen Fluebrig und Druesberg braucht sich vor dem Hardergrat beispielsweise nicht zu verstecken: Zwar bietet er nicht ganz die Aussicht wie der Hardergrat, dafür ist dessen Begehung um einiges kühner!
Was mir am Hardergrat im Sinne eines Skyruns allerdings besser gefallen hatte war die Tatsache, dass man ungefähr die Hälfte der Strecke im Laufschritt bewältigen konnte. Dies war eine super Ausbeute, denn normalerweise nimmt das Wandern bei Skyruns meist überhand. Aufgrund des oftmals bereits breit ausgetretenen Weges war die Begehung auf weiten strecken problemlos und gewährte ein rasches Fortkommen. Die technischen Schwierigkeiten würde ich demzufolge grosszügig auf ein T4 herabstufen (ausser man baut noch einige Varianten ein). Ob man den Grat von West nach Ost oder in umgekehrter Richtung begeht bleibt jedem selber überlassen; für mich ist die Taktik, mit Wasser fassen nach zwei Drittel der Tour, jedenfalls perfekt aufgegangen.
Die Zeit von 7:32 ist durchaus noch zu unterbieten. Denn wer die Pausen weglässt (Rothorn ausgenommen) und nicht über 100x auf den Kamera Auslöser drückt, und vom Höch Gumme 2204m den direkten Abstieg über den Südgrat wählt, der kann sogar weit unter 7h einchecken! Nachtrag: Stefan Hugenschmidt rannte am 8.10.2016 in erstaunlichen 5:56 über den gesamten Hardergrat: klick!
(Ende in Sicht: Wilerhorn 2005m || Für dieses Bild musste ich weite Wege gehen: Sicht vom Wilerhorn 2005m nach Westen auf den Brienzergrat)
//Die Schlüsselstellen:
- Augstmatthorn, T4: Neue Ketten.
- Gummhoren bis Ällgäuwhoren, T4: Einige Kraxelstellen.
- Tannhorn, T4 (ehemals T5): Dank guter Trittspuren und installierter Drahtseile ist die Begehung im Auf- wie auch im Abstieg deutlich einfacher geworden. Das Tannhorn zählt mit Sicherheit zu den Highlights der Tour!
- Briefehörnli, T4: Stellenweise schmaler Grat.
- Schongütsch über Westgrat T5: Direkte und logische Linie auf den Gipfel, zuletzt schmaler Grat und einige Kraxelstellen. Man kann den Gipfel aber auch normal über den Wanderweg erreichen (T2).
//Die Grate:
- Riedergrat (vom Augstmatthorn bis Ällgäuwhoren)
- Briefengrat (zwischen Briefehörnli und Chruterepass)
- Brienzergrat (vom Tannhorn bis Rothorn)
- Tüfengrat (Hörnli/Wilerhorn)
//Facts:
- Route: Interlaken Talstation Harderbahn - Hardermandli - Harderkulm - Wannichnubel - Höji Egg - Roteflue - Schönbüel - Suggiture - Augstmatthorn - Wytlouwihoren - Blasenhubel - Gummhoren - Schnierenhireli - Ällgäuwlicka - Ällgäuwhoren - Tannhorn - Balmi - Wannepass - Briefehörnli - Chruterepass - Lättgässli - Schongütsch - Restaurant Rothorn Kulm - Brienzer Rothorn - Eiseesattel - Arnihaagen - Zwischenegg - Höch Gumme - Gibel - Scheidegg - Hörnli - Wilerhorn - Oberberg - Obem Wald - Totzweg - Brünigpass.
- Distanz: 38km
- Höhenmeter Aufstieg: 3800m
- Höhenmeter Abstieg: 3300m
- Total 17 Gipfel
- Terrain: 100% Trails (Berg- und Wanderwege).
- Maxpuls: 166bpm
- Schnittpuls: 130bpm
- Verpflegung: 2 Salztabletten, 2 Powerbars, 2 Gels, 1 Mars, 2.5l Iso, 0.5l Cola, 0.5l Schorle, 1l Wasser (0.5l Iso waren übrig).
//Ausrüstung:
- Trailrunning Rucksack DYNAFIT ENDURO 12
- Leichte Windjacke DYNAFIT REACT JACKET
- Camelbak mit 1.5l Iso
- 2 Stk. 0.5l Softbottels
- Leichte Trailrunning Schuhe mit gutem Profil
- Kurzarm T-Shirt
- Kurze Hosen
- Armlinge
- Headband
- Sportsocken
- Sonnenbrille
- Smartphone, Schutzhülle
- Pulsuhr mit GPS Funktion
- 1:50000 Kartenausdrucke
- Voltaren Rapid (Reserve)
- Salztabletten
- Geld
//Zwischenzeiten:
- Start Talstation Harderbahn 568m um 08:03 Uhr.
- Zwischenzeit Harderkulm Pkt. 1321m um 08:42 Uhr.
- Zwischenzeit Wannichnubel 1584m um 08:57 Uhr.
- Zwischenzeit Suggiture 2084m um 10:00 Uhr.
- Zwischenzeit Augstmatthorn 2137m um 10:10 Uhr.
- Zwischenzeit Gummhoren 2040m um 10:47 Uhr.
- Zwischenzeit Ällgäuwhoren 2047m um 11:25 Uhr.
- Ankunft Tannhorn 2220m um 11:46 Uhr.
- Start Tannhorn 2220m um 11:50 Uhr.
- Zwischenzeit Schöngütsch 2319m um 12:57 Uhr.
- Ankunft Restaurant Rothorn Kulm Pkt. 2266m um 13:02 Uhr.
- Start Restaurant Rothorn Kulm Pkt. 2266m um 13:09 Uhr.
- Zwischenzeit Brienzer Rothorn 2348m um 13:15 Uhr.
- Zwischenzeit Arnihaagen 2216m um 13:45 Uhr.
- Ankunft Höch Gumme 2204m um 14:09 Uhr.
- Start Höch Gumme 2204m um 14:16 Uhr.
- Ankunft Wilerhorn 2205m um 14:47 Uhr.
- Start Wilerhorn 2205m um 14:50 Uhr.
- Ankunft Brünigpass 1000m um 15:35 Uhr.
Total ohne Pausen: 7:11
Total mit Pausen (Tannhorn, Rothorn, Höch Gumme, Wilerhorn): 7:32
--
GPS-Tracks
Wegpunkte
Die Wegpunkte des Hardergrats können als KML Datei oder als GPX Datei heruntergeladen werden.
STRAVA
Hier geht's zum Strava-Track: klick!
Bemerkungen:
Vom Höch Gumme 2204m kann man auch direkt über den Südgrat absteigen, was natürlich viel schneller wäre! Ich hatte mich leider nicht informiert zuvor und konnte dies erst von Gibel Pkt. 2039m aus sehen... Da würde man bestimmt weitere 15 Minuten einsparen, auch im Aufstieg!
Wasserstellen:
- Brienzer Rothorn
- Balmhütte: klick! (siehe auch Wegbeschreibung und Karte)
- Harderkulm
Bericht einer Speedbegehung in der Gegenrichtung: klick!
Bericht und Bilder von Dan Patitucci: klick!
 |