Beschreibung | Trofeo Mezzalama 2017, mit Thomas und Christian
//Motivation
Die Trofeo Mezzalama war der Abschluss und gleichzeitig Höhepunkt der Saison 2016/17 in Sachen Skitourenrennen! Vor 2 Jahren war ich bei diesem Rennen erstmals am Start, damals hatten wir mit der Höhe zu kämpfen und brauchten für die Strecke (in Gegenrichtung) über 10 Stunden! Dieses Mal wollten wir es besser machen. Akklimatisiert waren wir leider erneut zu wenig, ist halt so wenn man unter der Woche arbeiten muss.
Als wir ins Aostatal angereist, die Startnummern geschnappt und das Zimmer in Valtournenche bezogen hatten, wollten wir vor dem Briefing noch etwas die Beine vertreten. Dazu fuhren wir hinauf nach Cervinia 2006m und fellten im Angesicht des Matterhorns die Sulzpiste hinauf zur Bergstation Plan Torrette 2470m. Nach der langwierigen Informationsveranstaltung und dem Abendessen folgte die grosse Materialschlacht, bevor wir uns für einige Stunden auf's Ohr legten, der Wecker war scharf gestellt auf unmenschliche 03:00 Uhr.
(Alles bereit in Cervinia - wir waren es auch!)
//Race
Um 05:30 Uhr fiel der Startschuss in Cervinia 2006m. Mit aufgebundenen Skis rannten wir einige hundert Meter durch's Dorf, bis wir diese schliesslich unter die Füsse schnallen konnten. Begleitet von Trompeten, Posaunen und pompösem Feuerwerk fellten wir dem Breithornpass Pkt. 3814m entgegen. Das eingeschlagene Tempo war hoch und ich konnte es gerade noch halten. Ich spürte aber bereits dass heute nicht mein Tag war. Die linke Schulter schmerzte und ebenso der linke Fuss, Verschleisserscheinungen nach einem langen Winter.
Um auf den Theodulpass Pkt. 3295m zu gelangen, mussten wir 300 Höhenmeter zu Fuss ein steiles Couloir hochsteigen. Die Steigeisen blieben vorerst im Sack. Hier fühlte ich mich zwischenzeitlich wieder besser, Portagen waren schon immer meine Stärke. Noch vor dem Breithornpass Pkt. 3814m hatten wir angeseilt, und querten schliesslich das Plateau in Richtung Passo di Verra und Castor 4223m. Unterdessen waren wir dem Wind voll ausgesetzt und es war saukalt, aus Zeitgründen wollten wir die Daunenjacke und Überhandschuhe aber erst zu Beginn der Portage überziehen.
Dies war ein Fehler, denn bei der Wechselzone auf 3700m hatte ich bereits kein Gefühl mehr an den Fingern, und meine Teamkollegen mussten mir behilflich sein mit den Steigeisen und Reissverschlüssen. Eingehüllt in die Wärmeschicht ging es mir gleich wieder besser, und so konnten wir bald in Richtung Gipfel ansteigen. Die Flanke war an vielen Stellen blank, doch es gab eine gute Trittspur und es kam zu keinen Staus. Kurz vor dem Grat, unterhalb der Leitern, musste ein Teilnehmer wenige Meter neben der Spur seinen Darm entleeren. Es musste einem wirklich sehr dreckig gehen wenn man sich dort in den Schnee setzte! Mit Schmerz verzehrtem Gesicht hatte er wiederholt désolé gerufen, ein armer Tropf!
(Anstieg zum Castore 4223m - Bilder © Mezzalama)
Der Grat am Castor 4223m war schmal aber gut gangbar, einzig auf die Windböen mussten wir etwas acht geben. Auf dem Gipfel hatten wir kurz abgeklatscht, dann ging es auf der anderen Seite bereits wieder talwärts. Bei der Wechselzone hatte ich Schwierigkeiten mit der Fixierung der Schuhe, ich konnte das Problem glücklicherweise rasch lösen, und so fuhren wir angeseilt über den Felikgletscher hinab zum Rif. Quintino Sella Pkt. 3585m. Unterdessen waren wir 4:36'41 unterwegs (und die Spitzenteams bereits im Ziel).
Hier unten war es deutlich angenehmer und wir konnten die Daunenjacke vorübergehend verstauen. Die Höhe hatte unterdessen voll eingeschlagen und wir verfielen wie viele andere in einen gemütlichen Trott. Wir waren nun nicht mehr viel schneller unterwegs als normale Skitourengeher, die Luft war draussen. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit bis wir den Lysgletscher gequert hatten und bei der Wechselzone auf ca. 4000m eingetroffen sind. Dort montierten wir erneut Steigeisen und Daunenjacke, und genehmigten uns einen Schluck warmen Tee, bevor wir uns an die Besteigung des Naso del Liskamm 4272m machten. Dies war heute klar die Schlüsselstelle. Die Flanke war total vereist und mehrheitlich blank. Da viele Teilnehmer nun komplett überfordert waren, hiess es für uns minutenlang auf den Frontzacken ausharren, gesichert am Fixseil mittels Klettersteigset, bevor wir uns wieder einige Meter nach oben bewegen konnten um dann erneut still zu stehen. Hin und wieder fegte eine Windböe über uns hinweg. Das war nicht mehr lustig sondern richtig ernst. Erst gegen oben hin, als das Gelände etwas abflachte, begann sich die Schlange aufzulösen.
(Anstieg zum Naso del Liskamm 4272m - Bilder © Mezzalama)
Nach ungefähr 200 Höhenmeter Abstieg an Fixseilen konnten wir die Ski wieder an die Füsse schnallen und uns endlich an die Abfahrt Richtung Gressoney machen. Zuerst galt es allerdings noch ein gutes Stück zu skaten, bevor wir immer noch am Seil zur Mantovahütte 3496m abfahren konnten. Ohne Seil dann weiter über die aufgesulzten Skipisten. Im steilen Canalino dell' Aquila 2650m hatte ich unverhofft einen Ski verloren, der Fersenbereich der Bindung hatte zum wiederholten Male seitlich ausgelöst! Dies war sehr ärgerlich, und nur Dank weichem Schnee und vielen Buckeln kam der Ski nach 50m wieder zum liegen, das war knapp gewesen.
Es folgte noch ein letzter, kleiner Gegenanstieg, welchen die Spitzenläufer wohl hochgeschoben, wir die Ski aber hochgetragen hatten, bevor die Kunstschneepiste auf ca. 1800m endete, und die restlichen 200 Höhenmeter per Pedes zurückgelegt werden mussten. Wir waren alle froh, als wir nach 7:56'22 gemeinsam die Ziellinie überschreiten durften. Obschon etwas enttäuscht über die nicht wirklich gute Zeit, waren wir in erster Linie stolz, dass wir die Mezzalama 2017 trotz widrigsten Verhältnissen erfolgreich beendet hatten. Nun blieben noch die zweistündige Busfahrt zurück nach Cervinia und die lange Heimreise in die Schweiz.
//Fazit:
Die Trofeo Mezzalama ist und bleibt ein verrücktes Rennen, Skialpinismus vom Allergrössten! Da schleusen die Italiener 900 Teilnehmer über den schmalen Grat des Castors 4223m! Bei den angetroffenen Verhältnissen würde so etwas in der Schweiz niemals durchgeführt! Bereits die sehr frostigen Temperaturen, kombiniert mit dem starken Wind, würde eine Durchführung kaum zulassen. Und der Anstieg über die Eisflanke zum Naso del Liskamm 4272m stellte definitiv ein zu hohes Risiko dar. Die Organisatoren setzten hier sehr viel Eigenverantwortung voraus! Dies war schon sehr grenzwärtig. Viele Teilnehmer waren überfordert, ein Wunder dass es zu keinen gröberen Unfällen kam...
Ansonsten muss man den Organisatoren ein grosses Lob aussprechen! Die Strecke war bestens markiert, überall waren freundliche Helfer zugegen, die motivierten und einen an den wichtigen Orten mit Tee und Schoggi verpflegten. Auch für sie muss es eine grosse Herausforderung gewesen sein, stundenlang auf dem Gipfel des Castors oder in der Flanke des Naso del Liskamm auszuharren und der Kälte und dem Sturm zu trotzen.
Während wir im 2015 noch mehr als 10 Stunden brauchten für die Strecke (allerdings in der Gegenrichtung mit einigen zusätzlichen Höhenmetern), schafften wir es dieses Jahr immerhin in weniger als 8 Stunden. Das war allerdings fast doppelt so lange wie die Siegerteams benötigten. Diese doch sehr deutliche Differenz konnte nicht nur an der Fitness liegen, dazu hatte ich einen direkten Vergleich von der Pierra Menta 2017. Nebst der Kondition sind bei der Mezzalama vor allem eine gute Akklimatisation und Taktik der Schlüssel zum Erfolg.
//Facts:
- Strecke und Höhenprofil: klick!
- Reglement: klick!
- Distanz: 39.2km
- Höhenmeter: 3900m (ohne Gewähr)
- Maxpuls: 157bpm
- Schnittpuls: 118bpm
- Verpflegung: 3 Gels, Iso, Tee
- Zeit: 7:56'22
- Rangliste: klick!
- Fotos: hier! und da!
- Offizielles Video: klick!
- Weitere Filme: hier und da (auf letzterem sind wir kurz zu sehen ab 12:58, ganz unspektakulär).
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GPS-Tracks
Wegpunkte
Die Wegpunkte der gesamten Tour können hier heruntergeladen werden (gpx file).
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Bemerkungen:
Pistenplan Breuil-Cervinia/Zermatt: klick!
Info über die verschiedenen Disziplinen bei Ski Mountaineering Rennen: klick!
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