Beschreibung | Bergseeschijen - Vorbau - Diverse Routen (**), mit Martine
(Bergseeschijen 2815m Südwand - Vorbautürme)
Während es sich die aktiven Sportkletterer leisten konnten, bei dieser unsicheren Wetterlage den Tag im Klettergarten zu verbringen, wollten wir trotzdem unser Glück versuchen, um eine alpine Kletterroute anzugehen. Diese musste sich vorteilhaft im Plaisirbereich bewegen, da wir etwas ausser Übung waren. Nun konnten wir rasch drei Wunschziele definieren, und hatten somit die Qual der Wahl, welche Tour wir schliesslich angehen würden. Die obersten zwei auf der Liste hatten wir aufgrund der instabilen Wetterlage verworfen, und uns für die Notlösung entschieden. Die Bergseeschijen 2815m Südwand war das ideale Spielfeld um wieder in Form zu kommen, die Absicherung meistens gut (bis auf einige Ausnahmen) und die Schwierigkeiten überschaubar. Zudem boten sich rund um die Bergseehütte 2370m weitere, kürzere Optionen, falls das Wetter wider Erwarten schlecht sein sollte.
Als wir gemütlich zur Bergseehütte hochgewandert waren, änderte sich das Wetter zum Schlechteren. Zuerst war es noch noch sonnig, doch dann nahm die Bewölkung zu, über dem Winterstock und der Dammakette installierten sich bereits dunkle Quellwolken. Dies waren nicht die besten Voraussetzungen um in die Bergseeschijen Südwand einzusteigen. Denn die Touren in der Südwand waren laut Topo nicht zum abseilen eingerichtet, man sollte somit von Vorteil den Gipfel erreichen und den Fussabstieg über die Bergseelücke 2600m wählen. Aus diesem Grund hatten wir heute auch nur ein 50m Einfachseil im Gepäck.
So wollten wir uns erst einmal an den Vorbautürmen etwas aufwärmen gehen und auf das bessere Wetter warten. Von den Vorbautürmen war ein Rückzug jederzeit möglich, und wir würden später immer noch in die Bergseeschijen Südwand einsteigen können. Da wir beide ortsunkundig waren, und statt der Schlaufe via Bergseehütte 2370m den direkten und vermeintlich schnelleren Weg über's Geröll zu den Vorbautürmen suchten, dauerte es eine Weile, bis wir den Einstieg des Ameisentrails ausfindig machen konnten.
Bereits auf den ersten Metern konnten wir feststellen, dass es mit unserer Form nicht zum Besten stand. Das Vertrauen in die Sohlenreibung fehlte, und so wirkten die Bewegungen noch etwas unsicher und verkrampft. Im zweiten Abschnitt verlief die 1. Seillänge über einen Pfeiler, die Schwierigkeiten mussten hier zwingend bewältigt werden. Ein zurückgelassener Karabiner zeugte vom Scheitern früherer Seilschaften. Diese Aufgabe war auch für uns zuviel des Guten, und so waren wir uns nicht zu schade, diese Stelle rechts zu umgehen. In der 2. und 3. Seillänge kamen wir zusehends besser in Fahrt, und erreichten nach einigen schönen und gutmütigen Klettermetern bald den Ausstieg des 1. Vorbauturms. Es bot sich ein genialer Blick auf den 2. Vorbauturm und die Bergseeschijen 2815m Südwand im Hintergrund. Das Regenrisiko war leider immer noch vorhanden, und so wollten wir den Kurs vorerst beibehalten und den 2. Vorbauturm in Angriff nehmen.
Nun waren wir den Kabeln des Klettersteigs bis in die Scharte zwischen 1. und 2. Vorbauturm gefolgt, bevor wir nacheinander in alle dort vorhandenen Routen eingestiegen sind. Hier einige Details zu den Routen:
Roter Faden 4b, 2 Sl. (**)
1. Sl. 4b: Sehr schöne und zunehmend steile Piazkletterei, sofern man nicht nach rechts zum Klettersteig ausweicht.
>> Die Risse können zusätzlich mit mittleren Klemmern abgesichert werden.
2. Sl. 4b: Sehr schöne und steile Piazkletterei bis zum Top des 2. Vorbauturms.
>> Die beiden Seillängen können mit einem 50m-Seil zusammengefasst werden.
Anschliessend in 2x über die Wand abgeseilt und sogleich eingestiegen in:
Mitten durch 4c, 2 Sl. (***)
1. Sl. 4c: Sehr schöne Riss und Piazkletterei.
2. Sl. 4c: Sehr schöne Riss und Piazkletterei bis zum Top. Kann anstatt der vorhandenen Bohrhaken perfekt mit Bandschlingen und Klemmern abgesichert werden.
>> Die beiden Seillängen können mit einem 50m-Seil zu einer genialen Seillänge zusammengefasst werden.
Erneut 2x abgeseilt und einige Meter zum Wandfuss abgestiegen. Nach einer kurzen Pause sind wir eingestiegen in:
Blaue Linie 5c+, 2 Sl. (***)
1. Sl. 4b: Sehr schöne Genusskletterei. Zuletzt steiler werdend und in Piazmanier bis zum Stand.
>> 1. und 2. Seillänge zusammengehängt.
2(3). Sl. 5c+: Die Crux folgt gleich nach dem Stand (den blauen Pfeilen folgen). An kleinen Leisten und fein antretend will die steile Dachzone an rötlichem Fels überwunden werden. Zur Not kann diese Stelle auch technisch gelöst werden. Anschliessend in anregender Kletterei über den luftigen Grat bis zum Top.
Nachdem wir ein 3. und letztes Mal über den Turm abgeseilt hatten und das Seil erfolgreich abziehen konnten, hatten wir endlich genug, und stiegen, nachdem wir die zurückgelassenen Rucksäcke aufgelesen hatten, in wenigen Minuten zur Bergseehütte 2370m ab. Das Hüttenkafi brachte und schliesslich wieder in Schwung, um den Abstieg Richtung Göscheneralpsee in Angriff zu nehmen. Kurz vor dem Ziel hatte es schliesslich zu regnen begonnen, perfektes Timing.
(Schöne Gratkletterei am 2. Vorbauturm)
Fazit:
Auch wenn wir heute auf alle Wunschziele verzichten mussten, hatten wir wohl das Optimum herausgeholt und einige wunderbare Stunden in der tollen Bergwelt des Göscheneralptals verbracht. Wie schon letzten Herbst waren wir beeindruckt von der Farbenpracht und etwas erstaunt, dass wir bis auf eine weitere Seilschaft die einzigen Kletterer in diesem populären Gebiet waren. Schlussendlich kamen trotzdem neun Seillängen zusammen, damit wären wir gut durch die Bergseeschijen Südwand geklettert.
Eines der Wunschziele wäre eine Route am Winterstock gewesen. Mit dem Entscheid darauf zu verzichten lagen wir goldrichtig, wie sich auf diesem Foto leicht erkennen lässt.
Bemerkungen:
Die Routen an den Vorbautürmen eignen sich perfekt für ein knappes Zeitfenster oder bei instabiler Wetterlage, da ein Rückzug jederzeit schnell möglich ist.
Der Fels ist von ausgezeichneter Qualität und die Schwierigkeiten der Routen moderat, so lässt sich u.a. der Umgang mit mobilen Sicherungsgeräten perfekt üben.
Mitgeführtes Material: 50m Einfachseil, 15 Express, Friends (Cam. C4 Gr. 0.3-1), Bandschlingen.
Die Via Esther wurde 2012 durch die Erstbegeher saniert. Genauere Informationen findet man hier: klick!
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